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Thees Uhlmann, Fotocredit: Ingo Pertramer

Mittwoch10Sep

Thees Ulmann
»Sincerely, Thees Uhlmann. Das Beste von Tomte bis heute«


20:30 Uhr | Großer Saal

Autobahn, Feldwege, Landstraßen. Thees Uhlmann ist längst sein eigener Road Movie. Doch erst das Album »Sincerely, Thees Uhlmann« zeichnet den Trip mitreisetauglich nach. Er führt vom AJZ bis ins Stadion, von Hemmoor bis nach New York, durch mehr als drei Jahrzehnte wiedervereinigtes Deutschland. Rock, Indie, Punk und was nicht sonst noch alles. Lichthupe aber nur im äußersten Notfall.

„Das ist nicht die Sonne, die untergeht /
Das ist die Erde, die sich dreht“
(„Schönheit der Chance“)

The Tomte Years (1994 – 2010)

In einem kleinen Studi-Appartement in Köln. Auf mausgrauen Teppichfliesen haben sich Bandmitglieder der Gruppe Tomte gesammelt. Adrenalin, Unruhe, Alkohol. Es ist tiefste Nacht, irgendwann um die Jahrtausendwende, einer fuchtelt mit einer Baustellenbeleuchtung herum, ein weiterer hat offenbar Lappen und Schwämme vom Reinigungswägelchen geklaut, das beim Supermarkt um die Ecke stand. Oh, Gott! Das haben doch garantiert die scheiß Nachbar gesehen. Thees Uhlmann muss diese entgrenzten Leute zur Ordnung rufen, denke ich. Er ist doch ihr Vorgesetzter, ihm hatte ich leichtfertig zugesagt, wenn’s eng wird, könne „wer bei mir pennen“. Doch müde sieht hier keiner aus – und auch Thees wirkt nicht so, als hätte er Interesse, den Wahnsinn aufzuhalten, eher im Gegenteil.

Los geht die Story von „Sincerely, Thees Uhlmann“ und von Tomte ohnehin früher. Wenn man nicht gleich zu ihrer ersten Demo-Kassette in den alten Jugendkeller reisen will, führt sie allerdings noch mal nach Köln. Dort hatte Thees selbst eine Zeit lang gewohnt. „In Köln und dann in meinem Zimmer“ stellt das früheste Stück dieser Sammlung hier dar. Es erschien auf Tomtes allererster Vinyl-Single „Blinkmuffel“ und klingt wie sich einfach mit seinen friends den Hang runtertreten – der Rest wird sich schon finden. Für einen so dringlichen Song reicht dann auch eine Minute vierzig, grüner wird’s nicht.

Ohnehin findet sich in den frühen Stücken bereits vieles von dem, was Thees‘ Songwriting ausmacht: Sprachwitz und Prägnanz, Überschwang und Melancholie. Und eine regionale Verknüpfung, die über die Dekaden nie abreißen wird, das ominöse Hemmoor: „Du denkst, du bist kurz hinter New York / Doch Hemmoor ist cooler als wie Du / Da weiß man wenigstens, woran man ist“.
Später erscheint „In Köln“ auch noch mal auf dem Tomte-Debütalbum. „Du weißt, was ich meine“, eine ungeduldige Punk-Platte. Parole: Einfach mal alles total an sich ranlassen. Außerdem markiert sie den offiziellen Beginn der longlasting Bromance zwischen Thees und Marcus Wiebusch, die bis heute Indie-Deutschland auf den Karten hält: Grand Hotel Van Cleef.

Tomte selbst geraten erst in den Nuller Jahren zu größerer Aufmerksamkeit, ihre Songs laufen in den alternativen Discos, die Clips auf VIVA, „Korn und Sprite“, „Schreit den Namen meiner Mutter“, „Ich sang die ganze Zeit von Dir“, „Der letzte große Wal“ und so. Aufgekratzt, nahbar, getrieben. Wenn es einen Indie-Promi der Nuller gab, von dem du nachts um drei noch eine lange, wilde Nachricht auf deine Fanfrage bekamst, dann war der Absender garantiert sincerely Thees Uhlmann. Last man standing halt. Wohingegen das Tomte-Line-Up ab den 2000ern immer unsteter erschien. Es war Thees, der hängenblieb, der Publikum wie Medien eine ganz eigene hemdsärmelige Darling-Persona ins Gedächtnis zimmerte. Die wechselnden Goldstücke, die außer ihm Tomte waren, trugen viel zur Story bei, nicht nur Baustellenlichter oder Schwämme vom Reinigungswagen. Doch die Zeichen standen gegen Ende der Dekade auf Veränderung.

Die Thees Uhlmann Erfahrung (2011 – present)

„Was ich übers Leben weiß /
weiß ich aus ‚Stand By Me‘“
(„Danke für die Angst“)

Dass Thees solo weitermachen würde, scheint daher auch eher folgerichtig denn überraschend. Trotzdem ändert bereits der erste Song des ersten eigenen Albums seine Wahrnehmung als Songwriter. „Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf“, ein Once-In-A-Lifetime-Stück über Rückführung und Neubeginn, dazu läuft ein Super-8-Video. In einem Podcast erzählt Thees einmal, wie er in seiner Heimat Hemmoor und auch noch später immer erstmal um sich selbst als Künstler gekämpft habe. Der Song steht dafür, diesen Struggle überwinden zu können. Sich nicht mehr hinter einer ewigen Suche verstecken müssen. Sich trauen, etwas zu finden.

So werden die drei bisherigen Solo-Alben jedes für sich zu einem Statement Piece. Etwas, an dem man sich orientieren kann. Eine Art verloren geglaubter Humanismus mit Gitarren, stürmische, wehmütige Momente, Witz, Sehnsucht, Trost. Die Songs versuchen eine genauere Markierung zu sein, als es GPS je hinkriegen könnte. In „Ich bin der Fahrer, der die Frauen nach HipHop-Videodrehs nach Hause fährt“ verschränkt Thees Uhlmann Machtlosigkeit vs. Verantwortung mit Zumutungen des Zeitgeists. Gleichermaßen intim und hymnisch eingefasst in eine lakonischen Erzählung.

Dieser Typ sollte echt mal ein Buch schreiben, denkt man. Und weiß natürlich: Hat er doch. Mehr als eins. „Sophia, der Tod und ich“ wurde letztes Jahr von Charly Hübner verfilmt. „Egal, was ich tun werde, ich habe immer an dich gedacht“ von dem Soundtrack stellt den jüngsten Song auf dieser Langzeitstudie dar – und er sagt: Gib gut auf dich acht und vor allem meint er es auch genauso. Sincerely Thees Uhlmann eben.

Text: Linus Volkmann

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